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Pressemitteilung

Leserbrief zum Essay "Was um Gottes willen ist `Gender Mainstreaming`?"

erschienen in der ÖkologiePolitik, Nr. 165, Februar 2015, Seiten 44-47

Es ist schon merkwürdig, wie Frau Stankus den Leserinnen und Lesern ihres Artikels „Was um Gottes willen ist Gender Mainstreaming?“ suggerieren will, dass dieser Begriff von der Öffentlichkeit überwiegend missverstanden wird und dass aus diesem Grunde - oder einfach aus Bequemlichkeit und Unverantwortlichkeit  - ungebührlich gegen ihn polemisiert wird. Diese These begründet sie ausschließlich mit dem Rückgriff auf das Aktionsprogramm der 4. Weltfrauenkonferenz in Peking im Jahre 1995. Meine Frau und ich haben uns seit Jahren mit Gender Mainstreaming (im Folgenden mit GM abgekürzt) beschäftigt und wir sind der Meinung, dass die Antwort aus der Feder von Frau Stankus das von ihr selbst gestellte Thema völlig verfehlt.
Durch die Fokussierung auf einen einzigen Aspekt läuft ihre Darstellung auf eine gefährliche Desinformation hinaus. Schon ihr Ansatz ist unzulässig: Statt von dem (von GM-Anhängern und GM-Gegnern akzeptierten) Verständnis des Begriffs auszugehen, ist für Frau Stankus einzig die Frage wichtig, ob die GM-Kritik  in Übereinstimmung mit den (vor zwei Jahrzehnten in Peking formulierten) Zielen zu bringen ist. Ihr Artikel hätte deshalb die Überschrift erfordert: „Wie die gute Idee des GM seit ihrer Prägung missverstanden und von ihren Gegnern (wir würden hinzufügen: und Befürwortern) missbraucht worden ist.“ Die Themaverfehlung von Frau Stankus erstaunt umso mehr, da sie sich gleichsam zu  einer „Kennerin“ hochstilisiert, die es auf sich nimmt, sich mit dem umfangreichen Material der Frauenkonferenz von Peking auseinanderzusetzen, während ihre zahlreichen Gegner  - darunter „als seriös geltende Medien“  -  der Uninformiertheit oder sogar der unverantwortlichen Schlamperei bezichtigt werden. Vermutlich zielt Frau Stankus hier auf die F. A. Z. 

Leicht würden meine Frau und ich diesen Leserbrief auf die Länge des Artikels von Frau Stankus ausdehnen können, doch das wird uns diese Zeitschrift nicht erlauben: So bleibt es uns hier nur, mit einigen Fragen die Leser des irreführenden Artikels von Frau Stankus zum weiteren Nachdenken zu bringen:

  • Warum glaubt Frau Stankus, dass sie allein den Durchblick hat und alle anderen irren, auch zahlreiche Mitglieder ihrer eigenen Partei (vgl. u. a.  Frau Gertrud Martins Leserbrief in derselben Nummer auf S. 69)?
  • Warum leugnet sie den Zusammenhang zwischen der LGBT-Lobby und dem Gendermainstreaming, obwohl diese beiden Bewegungen überall von den gleichen Ministerien gefördert und zu gemeinsamen Aktionen, etwa im Bereich Schule, aufgefordert und dabei ideell und finanziell massiv unterstützt werden?
  • Warum gibt es ihr nicht zu denken, dass die Vorkämpfer und Vorkämpferinnen von GM eine breit angelegte öffentliche Diskussion bisher weitgehend gescheut haben und immer noch scheuen?
  • Warum stellt Frau Stankus GM als ein schwaches, missverstandenes Pflänzchen dar, das ausgerechnet von der ÖDP gepäppelt werden muss?
  • Warum erwähnt Frau Stankus nicht, dass keine Forderung in den letzten Jahrzehnten so schnell und problemlos die breite Unterstützung der Machteliten in den westlichen Ländern fand wie der Ruf nach Verwirklichung der Genderperspektive im weitesten Sinne, einschließlich der Priorisierung und privilegierten Behandlung von LGBT-Anliegen mit ihren zahllosen Facetten?  Man denke an die Forderung, die „Zwangskategorie“ Geschlecht so zu verflüssigen, dass es völlig belanglos wird.
  • Warum traut sich Frau Stankus nicht, die hinter den historisch einzigartigen Erfolgen  der GM- und LGBT-Bewegung stehenden mächtigen Lobbys zu benennen und damit für Transparenz zu sorgen? Auf diese Weise hätte sie als Front-Frau einer Anti-Lobby Partei wie der ÖDP einen weiteren eminent wichtigen Beitrag zum Hauptthema derselben Nummer von ÖkologiePolitik („Manipulation der Massen“ vgl. Einleitung!) geliefert.
  • Lenkt Frau Stankus mit ihrer blauäugigen und abgehobenen Betrachtungsweise nicht ab von dem, was besorgte Eltern zum wiederholten Male in ihrem Bundesland zu Tausenden auf die Straße getrieben und  den dortigen Vorsitzenden des Philologenverbandes, Bernd Saur, zu der Aufsehen erregenden Formulierung „Pornografisierung der Schulen“ getrieben hat: gemeint ist der umstrittene Bildungsplan, gegen den fast 200 000 Menschen mit ihrer Unterschrift protestiert haben, weil sich sehr viele Eltern permanent grundgesetzwidrig übergangen fühlen?

Hier brechen wir, die wir wie Frau Stankus gelernte Pädagogen, aber darüber hinaus auch Eltern und Großeltern sind, unsere Fragenkette ab. Wir bitten jedoch, dass die Redaktion in einer der nächsten Nummern von ÖkologiePolitik eine  echte  Genderexpertin,  - es gibt deren viele, die völlig anderer Meinung sind als Frau Stankus,  -  zu Wort kommen lässt! Erst dann sehen wir eine objektive Berichterstattung über GM als gegeben an. Als jahrzehntelange ÖDP-Mitglieder fürchten wir nämlich nicht ohne Grund, dass der offiziöse und sehr einseitige Bericht von Frau Stankus - schließlich ist sie immerhin im Bundesvorstand und Landesvorstand von Baden-Württemberg - als offizielle ÖDP-Position missverstanden wird.

Franz und Friedrun Wille
87724 Ottobeuren

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